3. März 2013

Zu den Grenzen der Demokratie

Das wichtigste Kriterium zur Ermittlung der Qualität eines Staatskonzeptes ist seine Nützlichkeit zur Beförderung des Wohles der im Staat Lebenden, also des Gemeinwohles. Demokratie ist die Herrschaft des Volkes und entspringt der Idee, dass dem Gemeinwohl durch Mitbestimmung aller entscheidungsfähigen Bürger am besten gedient ist. Die Vorzüge gegenüber undemokratischen Konzepten, in denen es keine, nur eine schwach ausgeprägte oder nur eine scheinbare Mitbestimmung des Volkes gibt, sind hinlänglich bekannt und geradezu offenkundig. Allerdings können Demokratien je nach Ausprägung der Volksentscheidungen völlig unterschiedliche Auswirkungen haben. Über eine sinnvolle Gestaltung der direkten Demokratie möchte ich heute sprechen.


Es gibt die Auffassung, nach der das Volk möglichst jedes politische Problem durch Mehrheitsentscheidung löst. Politiker wären in einem solchen System nurnoch für die ordnungsgemäße Abwicklung der regelmäßigen Wahlen und die Organisierung der Exekutierung resultierender Gesetze zuständig. Für ein solches Konzept gibt es den Begriff der Ochlokratie, der “Pöbelherrschaft”, welche als Entartung der Demokratie gilt. Es gibt nach meiner Meinung drei sinnvolle Grenzen für die direkte Demokratie, die vor einer solche Entartung schützen und den Rahmen für vernünftige Volksentscheide abstecken.

1) Der Schutz der Grundrechte:Volksentscheide über Grundprinzipien des demokratischen Systems sollen nicht möglich sein. Dazu zählen das Prinzip der Volkssouveränität und das Prinzip der juristischen Gleichheit. Dies gewährt zum einen den Selbstschutz der Demokratie, indem sich das Volk nicht als Souverän abwählen kann und dadurch den Weg für undemokratische Konzepte ebnet, zum anderen den Schutz des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz.

2) Der Schutz der Minderheit:Mehrheitenentscheidungen über die Belange von Minderheiten sollen nicht möglich sein. Angelegenheiten, die nur Belange und damit nur das Wohl einer Minderheit betreffen und deren Regelung auf das Wohl der Mehrheit der Bevölkerung keine Auswirkung hat, sollen nicht durch das ganze Volk entschieden werden. Ein Beispiel für eine solche Angelegenheit ist die zurzeit diskutierte Ehe für homosexuelle Paare. Ihre Regelung hat nur Auswirkungen auf das Wohl ebendieser, weshalb ein Volksentscheid zu diesem Thema eine unvernünftige Verfehlung wäre.

3) Der Schutz der Sachlichkeit:Volksentscheide über für Laien nicht in ihrer Gänze begreifbare Probleme sollen nicht möglich sein. So gibt es etwa in der Wirtschaft Fragestellungen, mit denen man sich im Grunde hauptberuflich beschäftigen muss, um sie mitsamt aller komplexen Zusammenhänge soweit zu erfassen, dass eine fundierte Entscheidung getroffen werden kann.

Die Beachtung dieser drei Punkte verhindert, dass Demokratie zu einer Herrschaft der Unvernunft und des Eigensinns ausartet. Das Volk wählt also Politiker als Repräsentanten, die mit der Aufgabe betraut werden, sich mit voller Bereitschaft für das Gemeinwohl einzusetzen und sich mit jenen Entscheidungen zu beschäftigen, die die Bevölkerung aus genannten Gründen nicht selbst treffen sollte. Wünschenswerterweise halten Politiker in schwierigen Fragen Rücksprache mit Experten und handeln nach bestem Gewissen und mit persönlicher Distanz zum Thema. Eine Schwierigkeit der Demokratie ist es aber, dass der Volkswille entgegen dem demokratischen Ideal nicht immer jene Entscheidung wiederspiegelt, die nützlich ist, das Gemeinwohl zu befördern.

Das Volk denkt nicht nachhaltig, ist in der Mehrheit unvernünftig und hat eine schwache soziale Solidarität. Ein Politiker sollte, sobald er gewählt wurde, einzig und allein nur dem Gemeinwohl dienen und in seinem Handeln und Tun in Hinblick auf eine Wiederwahl nicht ständig damit beschäftigt zu sein, der wählenden Mehrheit der Bürger zu gefallen. Er sollte sich für die Belange von politischen Minderheiten, aber auch für die Belange von zukünftigen Generationen einsetzen und wird daher in seiner Amtszeit die eine oder andere Entscheidung gegen den Volkswillen treffen müssen.

Der wählende Bürger sollte sich schließlich dieser Tatsache allseits bewusst sein, dass die Wahl der Repräsentanten bloß richtungsweisend ist und diese bei der Ausübung ihres Amtes frei nach ihrem Wissen und Gewissen handeln sollten und handeln werden.

Autor
Markus Hittmeir ist 21 Jahre alt, hat bereits ein Buch veröffentlicht und schreibt in seinem Blog "Nachtliteratur" großartige Kurzgeschichten und tagesaktuelle Texte.

1 Kommentar:

  1. teilweise stimme ich diesem Beitrag zu.
    Persönlich bevorzuge ich zur Lösung der beschriebenen Komplexität das Modell Liquid Democracy.
    Eines ist jedoch eine politische Partei oder Bewegung nicht: Allen in der Bevölkerung verpflichtet.
    Denn durch die notwendigen unterschiedlichen Vorstellungen einer Gesellschaftsordnung kann man derzeit mit der Wahl einer Partei oder eiones Politikers lediglich die idealistische richtung vorgeben.
    Und diese richtung zu halten, dazu sind die gewählten Mandatare verpflichtet.
    Während also linksorientierte eher zu Gleichmacherei und zentralistischer Regierung drängen, bevorzugt die Gegenseite mehr Freiheiten und Eigenverantwortung des /der Einzelnen. Mit weniger Kollektiv.
    Daraus einen Kompromiss zu schmieden - dies ist Aufgabe aller Politiker!
    In Österreich hat man dieses Weg verlassen.

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