Vorgestern fand in der Hofburg der von der Freiheitlichen Partei
Österreichs organisierte Akademikerball statt. Ich betrachte dieses
Ereignis und sein Stattfinden mit ausgesprochenem Desinteresse und hätte
dazu prinzipiell nichts zu äußern, würde es nicht mit einer Reihe von
Konsequenzen einhergehen.
Die FPÖ betonte mehrmals, dass der Ball
eine unpolitische Veranstaltung sein würde. Dies zu glauben fiel aber
tatsächlich schwer, besonders im Angesicht der Tatsache, dass er von
einer politischen Partei angemeldet und von zahlreichen bekannten
rechtsextremen Persönlichkeiten besucht wurde. Daher hatte man den Ball
im Vorfeld heftig kritisiert und gestern wurde er auch von
Demonstrationen begleitet, die in Verletzungen und Verhaftungen ihr Ende
fanden.
Während nun eine Seite argumentiert, dass friedliche
Demonstranten von Ballgästen attackiert worden wären und dass es
unbegründete Festnahmen gegeben hätte, macht die andere deutlich, dass
sich die Protestierenden grundsätzlich gewaltbereit gezeigt hätten und
die Reaktion der Polizei darauf ungenügend gewesen wäre. Am heutigen
Tage spürt man jedenfalls, dass die Fronten auf allen Seiten verhärtet
sind. Es sei dahingestellt, ob man ihn politisch oder unpolitisch
nennen möchte; der Akademikerball und alle damit in Verbindung stehenden
Ereignisse wurden instrumentalisiert, um das Fehlverhalten des
politischen Gegners aufzuzeigen und zu kritisieren.
Heute will jeder mit
seiner Auffassung der Dinge im Recht sein. Und ohne gestern anwesend
gewesen zu sein oder die Berichterstattung in aller Ausführlichkeit
verfolgt zu haben, möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich mir einer
Sache sehr gewiss bin: So wie die einen das Recht haben, einen Ball zu
feiern, haben die anderen das Recht, dagegen zu demonstrieren. Nach
gewalttätigen Auseinandersetzungen aber hat meist jeder nur irgendwie
Recht, daher niemand.
Um einen Eindruck zu gewinnen, habe ich mir
vorhin einige Videos angesehen. In einem davon wurde eine Frau auf dem
Weg zum Ball bespuckt. Polizisten haben junge Leute niedergeprügelt.
Menschen sind mit seltsam militärischer Kleidung und gesichtslos durch
die Straßen marschiert und haben alle dasselbe gerufen, während im
Hintergrund Geschosse explodierten. Dann sind sie ganz ruhig am Boden
gesessen und haben irgendwelche Lieder gesungen.
Ich empfinde beim
Betrachten dieser Bilder keine Solidarität für irgendeinen der Akteure,
nicht für die Ballbesucher mit ihrer Gesinnung, deren Gesellschaft ich
nur mit großer Mühe ertragen könnte, nicht für die Polizisten, die ihre
Macht bewusst oder unbewusst missbrauchen, und auch nicht für die
Demonstrierenden, selbst für die friedlichen nicht. Die Bilder dieser
riesigen Ansammlung von Menschen sind mir hochgradig zuwider und ich
kann mir ebensowenig vorstellen, wegen diesem Ball in einer solchen
Meute mitzulaufen, wie an demselben teilzunehmen.
Doch dies sind nur
meine persönlichen Gefühle, die ich beim Ansehen von Aufnahmen aus
einseitiger, wenn auch jeweils unterschiedlicher Perspektive empfunden
habe. Mir ist selbstverständlich bewusst, dass sich ein derart
pauschales Urteil über die Ballbesucher nicht fällen lässt, auch nicht
über die Polizisten oder über die Menge derjenigen, die demonstriert
haben. Schön wäre es, wenn alle Beteiligten dieses Bewusstsein teilen
würden. Dann hätte man vermutlich weder Verletzungen noch Verhaftungen
zu beklagen, allerdings gäbe es auch keinen Groll auf allen Seiten, den
Politiker bedienen können.
All die Geschehnisse um diesen Ball haben es wieder ein wenig schwieriger gemacht, dass in Österreich vernünftige Politik
stattfinden kann. Die Schuld dafür wird ja immer gerne allein dem
anderen gegeben. Ich möchte den Leser, sofern er sich nicht sowieso als
Außenstehenden sieht, darum bitten, dies in aller Ehrlichkeit mit sich
selbst einmal nicht zu tun.
Autor
Markus Hittmeir veröffentlicht seine Texte in seinem Blog, aber dankenswerter Weise auch hier auf der Plattform. Besonders hinweisen möchten wir auf seine großartigen Kurzgeschichten und sein kürzlich erschienenes, erstes Buch.
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